Ein Tag im Kreditbüro – wo über Investitionen entschieden wird…

Es ist kurz nach acht Uhr morgens.
In der Filiale einer regionalen Bank in Dresden geht gerade die Kaffeemaschine an.
Hinter Glaswänden klackern Tastaturen, und auf dem Bildschirm eines Beraters flackert eine Excel-Tabelle mit dem Titel: Investitionskredit – Mittelstand 2025.Ich durfte
für diesen Artikel einen Tag lang beobachten, wie dort über Kredite entschieden wird – wer Chancen bekommt, wer nicht, und warum manchmal ein halbes Prozentpunkt alles verändert.


08:45 Uhr – Der erste Antrag

„Heute haben wir drei größere Anträge auf dem Tisch“, sagt mir Thomas, Kreditsachbearbeiter seit 18 Jahren.
Er öffnet die erste Mappe: eine kleine Baufirma, die neue Fahrzeuge finanzieren will.

„Solide Zahlen“, murmelt er. „Aber keine aktuellen BWA.“
Er lehnt sich zurück, seufzt. „Das ist der Klassiker. Gute Idee, aber Unterlagen fehlen. Da fängt das Problem meistens an.“

Er klickt weiter, prüft Liquidität, Sicherheiten, Eigenkapitalquote.
„Banken mögen keine Überraschungen“, sagt er mit einem Lächeln, das halb freundlich, halb müde wirkt.
„Wenn der Unternehmer klar rechnet, sauber kommuniziert – dann ist fast alles möglich. Aber wer vage bleibt, macht’s uns schwer.“


10:20 Uhr – Ein Antrag mit Wumms

Die zweite Mappe: Ein junger Gründer will 250.000 € für eine Produktionsanlage.
Thomas ruft den Kunden über Teams an, Lautsprecher an.
„Herr Wagner, erzählen Sie mir bitte kurz Ihr Konzept.“
Die Stimme aus dem Laptop klingt selbstbewusst.
Der Mann erklärt sein Vorhaben, spricht von neuen Aufträgen, von steigender Nachfrage.

Thomas nickt, macht sich Notizen.
„Okay, die Idee überzeugt“, sagt er nach dem Gespräch. „Aber die Bank ist kein Investor. Wir müssen sicher sein, dass das Geschäftsmodell stabil ist. Wenn er uns jetzt noch die Zahlen ordentlich nachliefert, sehe ich da Chancen.“

Ich frage ihn später, woran er erkennt, ob jemand glaubwürdig ist.
„Ganz ehrlich?“ Er lacht. „An der Haltung. Wenn jemand sich auskennt, seine Branche versteht, dann merkt man das. Wir lesen nicht nur Bilanzen – wir lesen Menschen.“


12:30 Uhr – Mittagspause mit Finanzflair

In der Kantine reden die Berater über Zinssätze, Risikoaufschläge, aber auch über Fußball.
Einer sagt: „Manchmal wünschte ich, die Leute wüssten, wie sehr wir ihnen den Kredit eigentlich geben wollen.“
Ein anderer nickt. „Aber sie machen’s uns schwer. Fehlende Pläne, unrealistische Erwartungen – und dann wundern sie sich über Absagen.“

Ich notiere mir: Banken wollen ja investieren – nur nicht ins Chaos.


14:00 Uhr – Die KfW-Fälle

Am Nachmittag sitzt Thomas mit einer Kollegin in einer Videokonferenz.
Thema: Förderkredite.
„Der neue KfW-Digitalisierungskredit läuft gut“, sagt sie. „Aber viele wissen gar nicht, dass sie den über uns beantragen müssen.“
Ich sehe eine Checkliste auf dem Bildschirm: 18 Punkte, von Eigenkapital bis Verwendungsnachweis.
So viel zur Bürokratie.

„Wir sind Vermittler“, erklärt Thomas. „Die KfW gibt das Geld, wir prüfen das Risiko. Wenn beides passt, geht’s durch.“


16:10 Uhr – Entscheidung

Am späten Nachmittag liegt ein Stapel genehmigter Kredite auf dem Tisch.
„Drei Zusagen, eine Ablehnung, eine Nachforderung“, zählt Thomas.
Er lächelt. „Das war ein guter Tag.“

Ich frage ihn zum Schluss: „Was entscheidet am Ende – Zahlen oder Bauchgefühl?“
Er denkt kurz nach.
„Beides. Zahlen sind der Kompass. Aber das Bauchgefühl sagt, ob der Unternehmer den Weg wirklich gehen kann.“


Hinter den Kulissen der Kreditwelt…

Ich verlasse die Bank mit einem anderen Blick.
Dort, wo man oft nur Zinsen und Anträge sieht, sitzen Menschen, die täglich zwischen Risiko und Vertrauen abwägen.
Investitionskredite sind für sie keine reinen Geschäfte, sondern Geschichten – von Mut, von Planung, und manchmal auch von Neuanfang.
Und am Ende entscheidet nicht nur die Bilanz, sondern der Eindruck, den du hinterlässt.


 

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